Kürzere Tage
Anna Katharina Hahn
Language: German
Pages: 105
ISBN: 3518461583
Format: PDF / Kindle (mobi) / ePub
Mustermütter und Karrierefrauen, Eurythmie und Hysterie, Alleinerziehende und Problemkinder, Wohlstand und Verwahrlosung. Was geschieht, wenn man das Leben, das man immer haben wollte, endlich führt? Wenn die Kompromisse in Zwang umschlagen und das Glück sich nicht einstellt? In ihrer literarisch bestechenden Bestandsaufnahme erzählt Anna Katharina Hahn von Frauen, deren Lebensraum zum Käfig geworden ist und von einem Jungen, der ausbricht.
Herzlichen Glückwunsch, Sie haben gewonnen!
»Schlamper, sei gut, zieh net so!« Judith hört durch die halb geöffnete Wohnungstür das ungeduldige Fiepen des Hundes und die klagende Stimme ihrer Nachbarin. Kilian müht sich vor dem Flurspiegel mit den dicken Holzknöpfen seiner Winterjacke, das kleine Gesicht ist in Konzentration zur Grimasse verzogen, er hört nichts. Auf dem Treppenabsatz wartet Judith, bis die Hundekrallen und Frau Posselts Winterstiefel zum Hauseingang geklappert sind. Dann schlägt die Tür zu. Vorsichtig lugt Judith durch.
Bei vollem Tageslicht Sex mit ihm zu haben. Frau Kienzle, ihre Putzfrau, wird auf Lisa und Feli aufpassen und über Nacht bleiben. Es war alles organisiert. Leonie wählt die Büronummer. Er meldet sich gleich, knurrt nur ein kurzes Hallo. Leonie weiß, daß sie ihn aus irgend etwas herausreißt. Im Hintergrund knattert ein Drucker. »Ich bin’s bloß. Brauchst du noch lange?« »Kann ich jetzt noch nicht sagen. Wahrscheinlich schon.« Seine Stimme klingt müde und genervt. Sie ahnt, daß es nichts bringen.
Ihrer riesigen Silbercreolen in der aufgelösten Frisur verhakt, heftig hustend. Der Husten kam von ihrem Versuch, Sörens Penis bis zum Schaft zu schlucken. Sie würgte, drehte den Kopf stumm zur Seite. »Nicht auf meine Jacke, Mensch«, brüllte er und riß ihr das Kleidungsstück, eine alte Pilotenjacke der U.S. Army, förmlich unter dem Hintern weg. Sören studierte Medizin in Tübingen und kam nur am Wochenende nach Stuttgart. Er war groß, blaß und blond. Sein Gesicht mit der Hakennase, dem vollen Mund.
Sportskanonen natürlich. Bauernarbeit kannten sie vom Landjahr, die schöne, die wunderschöne Zeit! Wenn Luise mal davon anfing, was für eine Schinderei das Leben in Uhlbach zu jeder Jahreszeit gewesen war, wurde sie schnell wieder still unter den empörten Blicken der anderen. Ihre Handelsschule, ihr ganzes Stuttgart, das hatte sie nur Onkel Theo zu verdanken. Dem Onkel Theo, der Wut und Scham der Eltern über den sitzengebliebenen Hefezopf und Luises zwei linke Hände mit dem Satz entgegentrat:.
Vielleicht stören könnte. Vielleicht sollte sie doch anrufen, bei diesen Johannitern. Es wäre schön, mal wieder ein Wannenbad zu nehmen. Hauptsache, der Wenzel kann mich noch riechen und ich ihn. Und den Schlamper stört’s nicht weiter. Wenn’s zu schlimm ist, wird die Bruni sich schon beschweren, die kennt da nix. »Tante Luise, den Pullover kannst du nicht mehr anziehen, der ist ja voller Kaffeeflecken. Siehst du das denn nicht?« Nein, mein Mädle. Werd du mal so alt, dann wirst du selbst sehen,.